Insolvenzrecht: Fragen zur Urlaubsabgeltung.

 Urlaubsabgeltungsansprüche sind jetzt uneingeschränkt Masseverbindlichkeiten.

Insolvenzrecht: Fragen zur Urlaubsabgeltung.

Die Ausgangslage ist stets dieselbe: nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das insolvente Unternehmen vom Insolvenzverwalter fortgeführt. Etwaige Sanierungsmöglichkeiten werden dann geprüft. Dabei ergibt sich, dass die Masseverbindlichkeiten die vorhandene freie Masse übersteigen und der Insolvenzverwalter zeigt Masseunzulänglichkeit an. Zwischen den Senaten des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zeichnete sich ein Streit darüber ab, wie mit dem Urlaubsentgelt der Arbeitnehmer umzugehen ist, die vom Insolvenzverwalter weiterhin zur Arbeitsleistung herangezogen werden, deren Urlaubsentgeltansprüche also nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstehen.

BAG Rechtsprechung 2006 bis 2021

Bislang wurden die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstehen, nur anteilig als (Neu-)Masseverbindlichkeiten angesehen, BAG seit Urt. v. 21.11.2006 – 9 AZR 97/16 – NZA 2007.

Dies hatte zur Folge, dass die mit dem Urlaub verbundenen Geldansprüche (nur) in dem Umfang als (Neu-)Masseverbindlichkeiten zu berichtigen waren, die auf das Beschäftigungsverhältnis nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Relation zum gesamten Urlaubsjahr entfielen. Diese quotale Zuordnung folgerte der 9. BAG-Senat aus einer einschränkenden Auslegung des maßgeblichen § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO.

Neue, einheitliche BAG-Rechtsprechung

Eine Anfrage des 6. Senats, der diese Rechtsauffassung nicht teilt, führte nun zur Aufgabe dieser Rechtsprechung (BAG Beschl. v. 16.02.2021 – 9 AS 1/21 – NZA 2021, 567).

Danach gilt nach übereinstimmender Ansicht des BAG: nimmt der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch, so stellen die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Urlaubsabgeltung uneingeschränkt Masseverbindlichkeiten dar, wenn der Urlaub innerhalb dieses Zeitraums gewährt wird bzw. unmittelbar im Anschluss hieran das Arbeitsverhältnis endet.
Denn die Urlaubsansprüche bestehen nach Insolvenzeröffnung gem. § 108 Abs. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten fort – ganz unabhängig davon, ob sie auf dem laufenden Urlaubsjahr oder aus den Vorjahren stammen. Auch insoweit tritt der Insolvenzverwalter in die Rechte und Pflichten des insolventen Unternehmens ein.

Kommt es zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit, so wird die insolvenzrechtliche Reihenfolge der Masseverbindlichkeiten neugeordnet: für Arbeitsverhältnisse präzisieren und konkretisieren § 209 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO die Abgrenzung zwischen Alt- und Neumasseverbindlichkeiten.
Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren, wenn dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen wird, sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter.

Unterschied die bisherige BAG-Rechtsprechung noch zwischen dem Anspruch auf Freistellung und dem Anspruch auf Urlaubsentgelt, so nimmt das BAG nun einen einheitlichen Anspruch auf „bezahlte Freistellung“ an und setzt somit die EuGH-Rechtsprechung um. Dadurch, dass der 9. Senat durch die Anfrage die sich hieraus ergebenden Folgen durch Rechtsprechungsänderung berücksichtigen kann, wurde eine Anrufung des Großen Senats vermieden.