Die Insolvenz des Patriarchen.

 
Plädoyer für die rechtzeitige Ordnung der Vermögensverhältnisse (nicht nur) bei inhabergeführten Unternehmen.

Die Insolvenz des Patriarchen.

Oft wird erst bei Austritt oder Versterben eines langjährigen Unternehmensleiters klar, wie es um die Wirtschaftslage „seines“ Unternehmens steht. Für ein rechtzeitiges Gegensteuern kann die Zeit dann knapp werden.

Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ein Vater ist seit Jahrzehnten Inhaber eines Fotogeschäfts im Herzen des Schwarzwalds. Erst vor kurzem hat er im Nachbarort sogar eine Niederlassung gegründet. Die auch „prima läuft“, formuliert er. Die beiden inzwischen erwachsenen Söhne haben studiert. Die Mutter unterstützte den Vater all die Jahre bei der (von ihm) ausgewählten Buchhaltungsvorbereitung.

Schwarzwaldidylle?

Leider nicht, denn als Vater mit knapp 70 stirbt, wird die Familie in die wirtschaftliche Realität gestürzt:

Die Bank kündigt die Kredite, die insgesamt fast. 1,5 Mio. EUR betragen. Neben dem Haus, in dem die Mutter auch nach seinem Tod weiterhin wohnt, waren als (Dritt-)Sicherheiten für Vaters sukzessiv steigenden Kreditbedarf die beiden Lebensversicherungen der Söhne bereitgestellt worden. Das kommt erst jetzt ans Licht, als man „mal offen darüber spricht.“

Bei der Gelegenheit stellt sich auch heraus, dass Vater neben der bekannten Niederlassung im Nachbarort weitere außerhalb des Schwarzwalds unterhielt und finanzierte. Aus dieser von ihm über die Jahre aufgebauten komplexen Firmenstruktur ergeben sich weitere Bankverbindlichkeiten im knapp sechsstelligen Bereich. Mit dem hausbankinternen Wechsel des Engagements von der Kredit- zur Sanierungsabteilung wird den Bankmitarbeitern klar, dass Vaters Geschäftsmodell (Foto & Zubehör) sich bereits seit Jahren in der Strategie- und Erfolgskrise befand.

Der Weg in die Insolvenz

In der rasch beantragten Insolvenz, die den überforderten Hinterbliebenen immerhin die Ordnung der Vermögensverhältnisse erspart, wird kein Übernahmeinteressent gefunden. Die kurze Betriebsfortführung unter Aufsicht des (vorläufigen) Insolvenzverwalters wird zum Abverkauf der nur noch schwer marktgängigen Altvorräte genutzt werden. Für den seit Generationen geführten Facheinzelhandel gibt es keine Rettung.

Die Erlöse der in der Insolvenz liquidierten Vermögenswerte gehen komplett an die Gläubigergemeinschaft. Im Wesentlichen sind das die beteiligten Banken. Auch die zwei unzureichend insolvenzfesten Lebensversicherungen für die beiden Söhne sind dabei, Die verschiedenen Grundstücke, die Vater hatte, waren alle dinglich ausbelastet. Sie „gehörten“ wirtschaftlich der Bank und wurden im Zwangsversteigerungsverfahren, also außerhalb der Insolvenz zu Gunsten der Banken verwertet. Das alles kam völlig überraschend.

Die emotionale Belastung der Familie

Mutter hat Vaters Erbe ausschlagen müssen. So entging sie den Restforderungen der Banken (Ausfall) und wurde nicht beansprucht. Sie ist zwischenzeitlich in eine kleine Mietwohnung umgezogen und lebt von Sozialhilfe. Die Söhne unterstützen sie. Mit ihnen versteht sie sich wie vor dem Tod des Patriarchen weiter sehr gut – glücklicherweise. Es bleibt das Gefühl der Familie, den Vater gar nicht „gekannt“ zu haben.

Mangelnde Kommunikation als Brandbeschleuniger von Krisen

Sicherlich ein krasses Beispiel unzureichender Kommunikation einer Unternehmerpersönlichkeit. Hier wurde mit der Strategiekrise (ist mein Geschäftsgegenstand noch zeitgemäß?) bereits das erste der insgesamt vier Krisenstadien gänzlich ignoriert. Zuletzt führte die eingetretene Liquiditätskrise zum letzten Krisenstadium, der Insolvenz des inhabergeführten Einzelunternehmens.

Abgesehen von diesem Fall gilt ganz allgemein, dass eine rechtzeitige Umstellung der Geschäftsstrategie durch offene Kommunikation mit (internen oder externen) Beratern das Überleben eines Unternehmens sichert. Und daran hängt auch oft die wirtschaftliche Existenz enger Angehöriger. Offene Absprachen können erhebliche Abflüsse von Geld oder sonstigen Werten verhindern. Unternehmen können so zielführend gelenkt eine mittel- und langfristig ausgearbeiteten Rechts- und Finanzierungsstrategie verfolgen.

Auch wenn die steuerrechtlich interessantere Übertragung des inhabergeführten mittelständischen Einzelunternehmens zu Lebzeiten (durch Verschenkung, Verkauf oder Verpachtung, ggf. mit gleichzeitiger Zusage einer Versorgungsleistung) nicht immer möglich ist, etwa wegen Nachfolgeablehnung der Kinder, gilt:

  • Nur durch einen offenen Umgang des Inhabers mit den Aussichten und Perspektiven seiner Unternehmung können im Einzelfall auch erhebliche Vermögensgefahren für seine engsten Angehörigen (etwa durch ihre Stellung von Drittsicherheiten o.ä.) verhindert oder zumindest rechtzeitig abgewendet werden.
  • Bereits in den letzten zehn Jahren hat sich das vererbte Gesamtvermögen in der Bundesrepublik verdoppelt. Dies wird sich in den nächsten Jahren noch weiter steigern und wird auch große Vermögen umfassen, mithin auch inhabergeführte Einzelunternehmungen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche.
  • Bei der unausweichlich notwendigen Weitergabe kleiner wie großer Betriebsvermögen sollten nicht nur die Interessen der im Unternehmen angestellten Arbeitnehmer, sondern auch die der engsten Angehörigen berücksichtigt werden. Der Vermögensstatus sollte rechtzeitig festgestellt und dabei divergierende Zahlen, Perspektiven und Strategien offen abgeglichen werden.

Damit können Überraschungen bei Betriebsübergabe oder im Erbfall, die im Einzelfall zur insolvenzbedingten Stilllegung des Betriebs führen können, unterbleiben.